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WEBLOG
von KLAUSENS
Nam June Paik, Mercury, 1991 |
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Nam June Paik Estate, New York, 2010 / Kunststiftung NRW, Düsseldorf |
Düsseldorf (RP) Als großen Schwerpunkt innerhalb der Düsseldorfer Quadriennale stellt das Museum Kunstpalast die erste große Retrospektive von Nam June Paik nach seinem Tod zusammen. Seine künstlerischen Wege führten ihn nach Düsseldorf. 30 Arbeiten aus internationalen Sammlungen werden gezeigt.
"Das Fernsehen hat uns ein Leben lang attackiert – jetzt schlagen wir zurück." Das sagte Nam June Paik Anfang der Sechziger. Sein Vorpreschen in der mediengesättigten Welt war neu: Er betrachtete den Fernseher als innovative bildnerische Herausforderung, den Apparat als dubiosen Ort von Wahrheitsfindung und als Erlebniskiste für umdeutbare Massenkommunikation. Video, so die Theorie des Koreaners, ist ein Modell des Lebens und Laser das Medium zu einer spirituellen Sprache.
Nun also kann man gespannt den Kosmos Paik im Museum Kunstpalast Düsseldorf durchwandern. Es ist die erste Retrospektive dieses Umfangs nach Paiks Tod im Jahr 2006. Alleine 30 bedeutende Skulpturen und Installationen wurden aus großen Sammlungen zusammengezogen; dazu gibt es Grafiken, Bilder und bislang unveröffentlichtes dokumentarisches Material, Filme und Fotografien. Der elektronisch hochgerüstete Museumsparcours lärmt und flimmert, ist anregend und verstörend. Es hängt letztlich vom Alter ab, mit welchen Empfindungen man die Werke betrachtet und wie man sie bewertet.
Nam June Paik ist eine singuläre Größe in der jüngeren Kunstgeschichte, für ihn war Kunst ein permanentes Experiment. Der Musiker, in Seoul geboren, mit seiner Familie nach Japan emigriert, 1956 nach Deutschland und später ins Rheinland übergesiedelt, schloss zunächst ab mit seinen elektronischen Kompositionen, er war auch kein Maler mehr, sagte er, verstand sich nicht als Bildhauer.
Und doch fließt in seine Arbeiten die ganze, breit angelegte künstlerische Vorgeschichte mit ein. Die Videowelt des Nam June Paik verbreitete sich in den unruhigen Sechzigern so schnell, als habe die Welt darauf gewartet. Er nutzte die Stunde an der aufregenden Schwelle von der analogen zur digitalen Bildübertragung. Er war ein Meister des Cross-over, der die Grenzen zwischen E-Musik und U-Musik überwand und spielerisch von der Musik zur bildnerischen Kunst hinüberwechselte.
Paik gilt als Pionier, wenn nicht als Erfinder der Medienkunst. Als Musiker und Komponist war er ein Multitalent und Quereinsteiger par excellence, wie ihn nur die 1960er Jahre hervorbringen konnten. Zum Rheinland hatte er einen besonderen Bezug: In der Wuppertaler Galerie Parnass fand 1963 seine erste Einzelausstellung statt, hier traf er mit Joseph Beuys zusammen, und hier verrückte er mit den anderen Aktions- und Fluxuskünstlern ganz unerhört die Auffassung von Kunst. Von 1978 bis 1995 hatte er an der Kunstakademie die erste Professur für Videokunst inne.
Paiks Vermächtnis sind Installationen und Einzelstücke, theoretische Papiere, flüchtig hingehauchte Malerei und Filme, die erotische und politische Performances konservieren. Verrückt ist etwa das Motorrad – gebaut aus Videokästen, "Route 66" heißt es, ein Sehnsuchtsziel jener Jahre. Berühmt sind Onkel und Tante, "Uncle" und "Aunt", 1986, aus Apparaten zusammengesetzt – über dem technischen Leib thront ein Gesicht, und die Tante hat Arme aus Antennen. "Zen for wind" heißt ein Windspiel: An Schnüren baumeln Roller, Schuhe, Ringe und ein Flötenkessel – die Dinge des Lebens. Erst in den großen Videoarbeiten entstehen die neuen Dimensionen.
"Internet Dreams" von 1994 nimmt vorweg, was wir heute nicht mehr träumen, sondern erleben. "Mercury" heißt die rotgleißende Video-Scheibe, Leuchtröhren ziehen Schlieren darauf wie bei Naumans Lichtbildern. "Egg grows" ist eine von Paiks bedeutenden Arbeiten über das Wachsen eines Eies in sieben Stufen. Die Gefühligkeit des Künstlers liest man im "Sentimental diary", einem Monitortower in Peace-Zeichen-Form mit Applikationen aus Leuchtröhren (Beuys' Hut etwa).
Der Kulturbotschafter zwischen Ost und West reizte die neuen Technologien aus und versah sie mit Poesie. Speziell sind seine Buddhas: Statuen sitzen lächelnd vor leeren Fernsehern, in denen Kerzenlicht flackert. Zwei Höhepunkte bietet die Retrospektive: Das Zelt mit Laserspielen unterm Dach – wer sich hineinlegt, erlebt beruhigende Feuerwerke. Am schönsten aber ist die Installation "Video Fish": Sieben Aquarien sindauf gebaut, in denen Schwärme von kleinen bunten Fischen ihre Bahnen ziehen. Dahinter laufen Videos, und es entbrennt ein Kampf darüber, welche Ebene die wirkliche ist. Beide sind es, wie wir heute wissen. Eine interessante Ausstellung, die vom Erklären lebt. Das Staunen ist garantiert.
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