Ausstellungen
Vor dem Gesetz
Skulpturen der Nachkriegszeit und
Räume der Gegenwartskunst
Eine
gemeinsame Ausstellung des Museum Ludwig und der
Siemens Stiftung
Verletzungen
der Menschenwürde können weltweit
tagtäglich zu Millionen aufgezeigt werden, uns ist es jederzeit
möglich von Ungerechtigkeiten zu erfahren oder sie durch
verschiedenste Medien zu bezeugen. Wie kann die bildende Kunst diese
universelle Problematik thematisieren ohne illustrativ zu werden?
Franz Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz" (1915) dient als gedanklicher
Ausgangspunkt und Metapher für die Ausstellung. Diese erzählt
von einem Mann vom Lande, der vor das Gesetz tritt. Vor dem Gesetz
steht ein Türhüter, bei dem er vergeblich um Eintritt
ersucht. Der Mann vom Lande, der die Errungenschaften der
Aufklärung nicht mitbekommen hat, bleibt lebenslänglich vom
Gesetz ausgeschlossen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Bedeutung
wird das Gesetz bei Kafka in einer räumlichen Ausdehnung
dargestellt. Mit dieser Parabel ist es möglich, Jemanden
außerhalb des Gesetzes zu positionieren. Dieser Jemand besitzt
weder Rechte noch Pflichten, das Gesetz ist ihm Zufluchtsort. Im
Hinblick auf die Menschenrechte, zeigt dieser Text, dass es weder
möglich ist, außerhalb des angeborenen Rechts zu stehen,
noch sich dahin zu begeben. Gerade in Bezug auf die Menschenrechtsfrage
hat das Umdenken, welches nach dem Zweiten Weltkrieg stattfinden
musste, viel verändert. Was ist heute noch davon übrig? VOR
DEM GESETZ vereint figurative Skulpturen der 1950er Jahre, als Teil der
europäischen Geschichte, mit raumgreifenden Beiträgen
zeitgenössischer Künstler, in denen die universelle
Problematik von Recht im Verhältnis zur Wahrung menschlicher
Würde verortet wird. Die Ausstellung spannt so einen Bogen
über die letzten sechzig Jahre, um das existenzielle Potential von
Kunst heute auszumachen. Die figurativen Skulpturen der 1950er Jahre
bilden den argumentativen Kern der Ausstellung. Im Rückblick
spiegeln diese exemplarisch ausgestellten Statuen den Zeitgeist der
Nachkriegszeit und die Nachwehen eines jeden Krieges. Sie vermitteln
ein Gefühl für die erlebten Schrecken und die
Sprachlosigkeit, die damit einhergeht.
Vor dem Gesetz
17.12.2011 bis 22.04.2012
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag:
10 – 18 Uhr
jeden ersten Donnerstag im Monat: 10 – 22 Uhr
Die
Skulpturen von Reg Butler, Alberto Giacometti, Wilhelm
Lehmbruck, Giacomo Manzù, Gerhard Marcks, Marino Marini, Henry
Moore, Germaine Richier und Ossip Zadkine scheinen ästhetisch
aus der Zeit zu fallen. Der Formgedanke ist für diese Statuen
weniger kennzeichnend als die Haltung, mit der sie sich zur Geschichte
und zu den zeitlosen Fragen der Menschheit positionieren. Die
Expressivität und Unmittelbarkeit der geformten Körper ist
gleichzusetzen mit dem Willen, der eigenen Situation und der eines
traumatisierten Landes ein Gesicht und eine Form zu geben. Der Mensch
als gebrochenes Wesen steht dabei im Mittelpunkt.
Pawel
Althamer, Phyllida Barlow, Karla Black, Paul Chan,
Jimmie Durham, Zoe Leonard, Bruce Nauman, Thomas Schütte und
Andreas Siekmann übertragen ihre Gedanken zur menschlichen
Existenz in die Räume des Museums. Sie operieren in einer
gewandelten komplexeren Welt mit einem erweiterten Kunstbegriff,
anderen Materialitäten und Mitteln. Den Bronzestatuen, die
zwischen Kriegsruinen gen Himmel ragten, stehen Arbeiten
gegenüber, die erneut versuchen, die menschliche Gegenwart
auszumachen. Ein Anliegen dieser Ausstellung ist es, über den
historischen Kontext unseren Blick für das humanistische Potential
von Gegenwartskunst zu schärfen. In Zeiten, die von
Auktionsrekorden und Schnellebigkeit geprägt sind, erscheint
die Auseinandersetzung mit einer Kunst notwendig, die mit
Ernsthaftigkeit auf der Kategorie des Menschlichen insistiert.
Pawel Althamer, Carl
Andre, Phyllida Barlow, Joseph Beuys, Karla Black, Monica Bonvicini,
Reg Butler, Paul Chan, Fritz Cremer, Jimmie Durham, Katharina Fritsch,
Alberto Giacometti, Candida Höfer, William Kentridge, Marko
Lehanka, Wilhelm Lehmbruck, Zoe Leonard, Giacomo Manzù, Gerhard
Marcks, Marino Marini, Henry Moore, Bruce Nauman, Germaine Richier,
Ulrich Rückriem, Thomas Schütte, George Segal, Andreas
Siekmann, Andreas Slominski, Ossip Zadkine
Die Ausstellung VOR DEM GESETZ vereint Skulpturen
der
Nachkriegszeit und Räume der Gegenwartskunst. Auf dem Weg zur
Ausstellung finden unter dem Titel Du kommst hier nicht
rein Gespräche
statt, die sich mit der zentralen Frage nach der Menschenwürde und
ihrem Verhältnis zum Konstrukt Recht auseinandersetzen.